Die Fuge, Volker Renner

Ein mit schwarzem Klebeband markierter Riss in einer Wand, vier aufgerollte und nebeneinander auf ein Stück Papiertuch gelegte Scheiben Schinken, mehrere Strickpullover, auf denen jeweils ein grüner Punkt prangt, übereinander gestapelt, eine Betonplatte Boden mit Reifenabriebspuren: Dies sind nur einige der Motive des Buches „Die Fuge“, dessen Titel als „die Lücke“ oder „die Fuge“ gelesen werden kann.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Titel beziehe sich ausschließlich auf die Darstellung physischer Lücken unterschiedlicher Zusammensetzung, ohne dass dies einen Bezug zur musikalischen Bedeutung des Begriffs habe: Zwischenräume zwischen Objekten, Fugen, an denen verschiedene Materialien aneinanderstoßen, Risse, Spalten, Dehnungsfugen, Mauerwerk Nähte, Schattenfugen, Falzfugen. Ansichten von Details, die wir sonst wahrscheinlich übersehen würden. Aber auch der Titel des Buches spielt auf den kreativen Prozess an. Alle Bilder entstanden während der Produktion für das Filmprojekt L'art de la fugue (französisch für Die Kunst der Fuge) in Paris. Volker Renner, der als Setfotograf fungierte, entging der endlosen leeren Zeit zwischen den Einstellungen des Films (fugere, lateinisch: fliehen), indem er sich auf die Jagd (fugare, lateinisch: jagen) nach seinen eigenen Motiven begab. Fotografieren in den Pausen zwischen den aufzunehmenden Sequenzen. Das Coupé wurde zur Renner-Aktion. Er verließ den Raum des Films, um abseits des Sets Bilder zu machen, die keiner Vorgabe entsprachen. Diese Umgehung der Arbeit, mit der er beauftragt wurde, und des damit verbundenen Verlusts der kreativen Selbstbeherrschung, wurde in einer neuen Bilderserie umgesetzt, die in den Szenenwechseln angesiedelt ist.

In gewisser Weise zeichnete er ein Bild vom Stillstand des Films, von seiner Pause. Und so sollten die im Buch enthaltenen Bilder nicht nur als Darstellungen physischer Risse, sondern auch als Illustrationen von Zeitlücken gelesen werden. Zusammen ergeben sie ein seltsames Porträt von Paris, in dem die charakteristischen Sehenswürdigkeiten der Metropole fehlen. Eng gerahmte Nahaufnahmen von Türklinken, Knopfleisten, Sollbruchstellen und Rissen scheinen Einblicke in das Geschehen hinter den Kulissen der Stadt zu gewähren.

Herausgegeben von Volker Renner und Textem Verlag
Gebundene Ausgabe
88 Seiten
165 x 230 mm
ISBN 9783864850479